Projekt Desire (oder: Vom Scheitern zum Begehren)

Nach dem kleinen Erfolg mit dem Projekt Perspektive wandert mein Blick unweigerlich zu diesem einen Bild. Ihr kennt das – jeder hat so ein Werk. Eines, das einen verfolgt. Eines, das nie das geworden ist, was es hätte werden sollen. Es lehnt dort an der Wand, fast vorwurfsvoll, und erinnert mich dauernd daran, dass nicht jeder Pinselstrich ein Volltreffer ist.
Nervig. Wir mögen uns nicht..
Ich starre es an, es starrt zurück. Was war das ursprünglich? Es ging um den Einfluss, den Sexualität auf einen hat. Egal – es ist zu einem stummen Zeugnis meiner künstlerischen Sackgassen geworden (obwohl es 2023 unter dem Titel „Turned by Sex“ Teil der Ausstellung „Bounded“ in Berlin war). Die Ausführung wirkt matt, die Komposition konfus, die ganze Aussage… einfach nicht da.
Grübeln hilft nicht. Ganz übermalen? Der Gedanke kreist wie ein hungriger Geier über meinem Kopf. Kaffee. Erstmal Kaffee.
Aber dann – während ich noch den ersten Schluck nehme – passiert etwas Seltsames. Mein Blick fällt auf die Palette vom heutigen Arbeiten (am Projekt „Between II“). Dort liegen noch die Farbreste: ein warmes Ocker, etwas Umbra gebrannt, ein Kadmiumrot, Schwarz, Gelb, Grün. Unscheinbare Reste, eigentlich schon für den Müll bestimmt.
Ein spontaner Impuls! Ohne groß nachzudenken greife ich zum Pinsel. Nicht zum sauberen, nicht zum perfekten Werkzeug (wie meist bei mir) – einfach zu dem, der noch feucht ist von vorhin. Kurz abgewischt und los. Die erste Linie ist zaghaft, skizzenhaft, mehr Zufall als Absicht.
Dann aber werde ich mutiger. Der Pinsel wird zum Finger, der Finger zum Werkzeug der Direktheit. Ich schmiere, ich wische, ich lasse die Farbe fließen, wie sie will. Eine Form entsteht – etwas undefiniert zunächst, dann deutlicher. Eine Figur nimmt Gestalt an.
Und plötzlich – als hätte das Bild nur darauf gewartet – erzählt es eine völlig neue Geschichte. Nicht mehr die langweilige, misslungene Geschichte von vorher, sondern etwas Drängendes, Lebendiges. Eine Geschichte vom Begehren.
Die Figur scheint sich aus der alten Farbe zu befreien, durchbricht die unglückliche Sicht der Strukturen darunter. Sie ist nicht perfekt, nicht ausgefeilt – aber sie lebt. Sie sehnt sich nach dem Dahinter, streckt sich danach aus, Inbegriff des Verlangens, auch nach dem Wagnis des Unbekannten.
Manchmal braucht ein Bild genau das: nicht die perfekte Planung, sondern den mutigen Zufall. Nicht das Nachdenken, sondern das spontane Handeln. Nicht die Angst vor dem Scheitern, sondern die Lust am Neubeginn.
Das gescheiterte Bild ist zum Begehren erwacht. Und ich? Ich habe wieder einmal gelernt, dass in jedem Misserfolg ein neuer Anfang schlummert. Man muss nur mutig genug sein, ihn zu wecken.

